Die Selbstachtung in Zeiten des Dschungelcamps
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"Ich bin ein Star - holt mich hier raus."
Oder vielleicht wäre eine Abänderung passender: "Ich brauche Geld - lasst mich da rein."
Auch wenn man das Dschungelcamp nicht regelmäßig und in voller Sendelänge anschaut, kann man sich dem Hype um diese, oder ähnliche Sendeformate kaum entziehen. Sobald man überhaupt den Fernseher einschaltet und unbewusst konsumiert, was da gesendet wird, drängen sich einzelne Szenen in Form einer Vorschau, oder eines Berichts über das tägliche Geschehen in unser Bewusstsein. Und selbst wer keinen Fernseher hat, sieht sich in Zeitungen und Zeitschriften von solchen “erfolgreichen” Sendungen verfolgt.
Ein Seelenstrip vor laufender Kamera
Das Erfolgsprinzip scheint immer mehr daraus zu bestehen, Menschen - idealerweise bekannte Menschen, auch Promis genannt - dazu zu bringen, sich zum Affen zu machen. Oder in aller Öffentlichkeit zu versagen und ihr Innerstes nach außen zu kehren. Ein Seelenstrip vor laufender Kamera und alle können sich daran ergötzen. Sie können auf den- oder diejenige herunterschauen. Man selbst würde sich ja nicht so weit herablassen, aber die oft abgehalfterten Promis brauchen das Geld, oder sind einfach mediengeil, was den Reiz des Zuschauens noch mehr erhöht.
Kopfschüttelnd nehmen wir zur Kenntnis, dass manche Menschen wirklich alles tun für ein paar Euro und für ein bisschen Berühmtheit. Die Moderatoren sind entsprechend getrimmt und legen den Finger bereitwillig in jede sich bietende Wunde, um den Schmerz zu vergrößern und den Betroffenen noch mehr der Lächerlichkeit preiszugeben.
“Selbst schuld”, werden Sie jetzt vielleicht denken. “Schließlich zwingt die Leute ja keiner, da mitzumachen. Wer ins Dschungelcamp geht, weiß was auf ihn oder sie zukommt.”
Genau so sehe ich das auch. Mir geht es in diesem Beitrag deshalb auch nicht darum die Sendung, ihre Protagonisten oder deren Zuschauer zu verurteilen, oder anzugreifen. Vielmehr geht es mir um die Frage, warum unsere Selbstachtung immer unwichtiger zu werden scheint. Diese vermeintlich abgestürzten Existenzen, die da teilnehmen, haben dieses Phänomen nämlich keinesfalls exklusiv.
Selbstachtung als Luxusgut, das sich nicht jeder leisten kann?
Diese Menschen tun Dinge, die sie eigentlich nie tun würden, wenn sie es nicht für ihre Pflicht hielten. Sie gehen teilweise durch die mentale und körperliche Hölle, weil sie denken: “Was soll’s? In ein paar Tagen ist es vorbei und danach hab ich mein Ziel erreicht - bin wieder bekannter und somit finanziell erfolgreicher.” Immerhin hat die Sendung mittlerweile Kultstatus und man gilt nicht mehr automatisch als abgewrackt, wenn man teilnimmt, sondern kann es zumindest zu zweifelhaftem Ruhm bringen. Auf jeden Fall hat man täglich die Aufmerksamkeit eines Millionenpublikums.
Diese Stars tun also etwas, das sie eigentlich nicht tun wollen, um etwas zu erreichen, was sie stattdessen gerne hätten. Es ist ein scheinbar einfacher Weg, der sich da auftut, um berühmt zu werden, oder berühmt zu bleiben. Sich wieder in Erinnerung zu bringen, denn nichts ist schädlicher für das Geschäft eines Stars, als in Vergessenheit zu geraten. Das, was man eben tun muss, um bekannt zu bleiben, nennt man auch die Schattenseiten des Geschäfts. Der Pakt mit dem Teufel, wenn Sie so wollen.
Die Selbstachtung spielt da eine eher untergeordnete Rolle, wenn man dem Reiz des schnellen Geldes und des schnellen Ruhms erliegt. Aber werfen wir doch einmal einen Blick in den eigenen Alltag. Ist es da so viel anders? Ich meine, natürlich stehen hier keine Kameras rum und auch sonst interessieren sich relativ wenige Menschen für das, was wir so verspeisen, oder über was wir uns unterhalten. Dabei wäre das oft mindestens genauso belanglos, wie im Dschungelcamp.
Das ganz alltägliche Dschungelcamp
Die Parallele zu diesen Showformaten, von Big Brother, Bachelor, DSDS, Supertalent, oder eben dem Dschungelcamp, vollzieht sich in eben dieser Selbstachtung. Wenn Sie tagtäglich einer Arbeit nachgehen, die sie eigentlich nicht tun wollen, dann ist das auch nichts anderes, als im Dschungel Würmer für Geld zu essen, oder Kamelpenisse oder was auch immer.
Ich spreche hier nicht davon, dass zu jedem Job und zu jedem Business auch Aufgaben gehören, die man nicht so mag, und dass es bei jeder Tätigkeit auch mal symbolische Kröten gibt, die man schlucken muss, im Sinne der weiteren Zusammenarbeit. Darum geht es nicht. Diese Dinge liegen in der Natur der Kooperation mit anderen Menschen, die ihre eigenen Vorstellungen haben.
Vielmehr geht es darum, dass viele Menschen tagtäglich mehrere Stunden lang Dinge tun, die sie todlangweilig, wenig inspirierend, quälend oder sogar als psychische Belastung empfinden. Sie brennen innerlich aus und stumpfen ab. Das innere Licht wird immer mehr erstickt, bis es schließlich ganz erlischt. Der innere Tod, oder weniger dramatisch, im Frühstadium noch die innere Kündigung tritt ein. Man beginnt damit, sein Leben abzusitzen.
Die Krönung des Wahnsinns ist dann die Angst, diese Art von Arbeit zu verlieren. Dabei läge genau darin wahrscheinlich die größte Chance für den Betroffenen. Der berühmte Tritt ins Hinterteil. Sofern er noch rechtzeitig erfolgt, kann dieser bekanntlich sehr heilsam sein, vorausgesetzt man zieht die richtigen Schlüsse daraus.
Es könnte ja noch schlimmer kommen ...
Solange wir aber auf andere herabschauen, die scheinbar noch viel weiter unten sind, als wir selbst - solange ist die Gefahr groß, dass wir es uns, in unserer Komfortzone gemütlich machen. Es könnte ja noch schlimmer kommen, wie man sieht. Schau Dir nur diese Idioten an, die sich da, für ein bisschen Ruhm und Geld, abstrampeln und zum Affen machen.
Der Blick auf die eigenen Lebensumstände lässt sich so wunderbar kaschieren. Das befreit von dem lästigen Druck, etwas ändern zu müssen. Lieber alles beim Alten belassen. Da weiß man wenigstens was man hat und was auf einen zukommt. Wenn man etwas verändert betritt man Neuland. Da kann alles passieren. Es könnte auch schlimmer werden.
Haben Sie denn wirklich eine Wahl? Können Sie Ihr Leben selbst gestalten? Haben diese Promis, oder die Teilnehmer bei den diversen Castingshows eine Wahl?
Natürlich. Jeder hat zu jeder Zeit eine Wahl. Die Frage ist allerdings zwischen was? Was ist die andere Option?
Wenn ich wählen kann zwischen einem finanziell sorgenfreien Leben im Erfolg und dem Dschungelcamp, dürfte die Wahl nicht sonderlich schwer fallen. Wenn ich wählen muss, zwischen dem Dschungelcamp und dem gesellschaftlichen und finanziellen Absturz, dann sieht die Welt schon anders aus.
Wenn Sie in gesicherten Verhältnissen leben, regelmäßig Ihr Gehalt bekommen und es zu einem gewissen Wohlstand gebracht haben, wird die Wahrscheinlichkeit, Sie in naher Zukunft im Dschungelcamp zu sehen, eher gering sein. Außer Sie wollen halt unbedingt mal ins Fernsehen - das soll ja auch vorkommen :-)
Resümee:
Wenn Sie etwas ausschließlich für Geld tun, obwohl Sie es eigentlich gar nicht wollen, ja sogar darunter leiden, dann Sie ein Dschungelcamp-Teilnehmer - nur ohne Kameras. Sie opfern Ihre Selbstachtung, Ihren Selbstwert und Ihre Berufung für die scheinbare Sicherheit des Bekannten.
Sie machen das Naheliegende, statt das Mögliche. Sie widmen sich dem Notwendigen, statt dem Erreichbaren. Gibt es keine andere Möglichkeit für Sie? Doch - es gibt immer mehrere Möglichkeiten, wenn man nicht gerade einen Abgrund hinunter stürzt. Im letzteren Fall ist die Fallrichtung und das Ergebnis meist nicht mehr zu ändern. In allen anderen Fällen gibt es Optionen.
Solange wir aber von der Angst besessen sind, was alles geschehen kann, sehen wir diese Optionen nicht und greifen nach scheinbar rettenden Strohhalmen. Der Spatz in der Hand, ist schließlich besser als die Taube auf dem Dach - Sie wissen schon …
Bitte verstehen Sie das nicht als Angriff, oder als Bewertung meinerseits von oben herab. Ich hatte und habe genauso mit den Tücken der eigenen Automatismen zu kämpfen, wie jeder andere auch. Ich möchte Sie nur auffordern, Ihre bewusste Wahrnehmung für die Optionen in Ihrem Leben zu sensibilisieren.
Sie brauchen nicht gleich Harakiri spielen und irgendwelche “Alles-oder-Nichts-Aktionen” einleiten. Aber Sie brauchen auch nicht auf Ihre Möglichkeiten zu verzichten, nur weil der Ausgang ungewiss ist. Es gibt immer mehrere Optionen. Manche sind naheliegend, manche sind gut versteckt. Aber wenn man ernsthaft danach sucht und seine Sinne für das gewünschte Ergebnis sensibilisiert, tauchen immer wieder welche auf.
Ich wünsche Ihnen einen klaren Blick, um Ihre Möglichkeiten zu erkennen und den Mut, diese Gelegenheiten dann auch zu ergreifen. Dann ist das tägliche Dschungelcamp für Sie garantiert kein Thema.
Alles Gute und
bis bald
Ihr
Gerd Ziegler