Zeige nur was Du beschützen kannst
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Man sollte Zerbrechliches
erst dann zeigen,
wenn man fähig ist,
es zu schützen.
Denn es provoziert
die Lust am Zerstören.
Hans Kruppa
(Aus "Lichter der Hoffnung")
Ich habe keine Ahnung, wo die Menschen diese Lust am Zerstören herhaben, aber sie lässt sich überall beobachten, wo wir zu Gange sind. Es scheint fast schon eine persönliche Befriedigung in manchen Personen auszulösen, wenn sie die Schöpfung, die andere mühsam aufgebaut haben, wieder eintreten können.
In diesem Blickpunkt werden wir uns mit der Lust am Zerstören beschäftigen, vor allem aber damit, welche Schlüsse Sie für sich und Ihr Traumleben daraus ziehen können.
Haben wir alle diese Lust an der Zerstörung in uns?
Sind wir denn alle so veranlagt, dass wir eine gewisse Lust verspüren, das Werk anderer Menschen zu zerstören? Ich habe diese Frage für mich zunächst kategorisch verneint. Schließlich will ich Menschen ermutigen und aufbauen, nicht deren Schaffenskraft mindern. Bei etwas längerem Nachdenken und einem ehrlicheren Blick auf mich selbst, war ich mir nicht mehr ganz so sicher.
Viel zu oft habe ich Ratschläge gegeben, wo keine gefragt waren, habe unnötig scharf kritisiert, wo ein aufbauender Hinweis besser geeignet gewesen wäre, habe bissige Kommentare abgegeben, nur weil ich die Person, die einen Vorschlag machte, nicht leiden konnte. Nein, ich glaube nicht, dass meine Lust am Zerstören sonderlich ausgeprägt ist, aber auch ich lege bisweilen Verhaltensweisen an den Tag, die auf andere zerstörerisch wirken können, oder zumindest destruktiv.
Menschen handeln nicht immer rational - eigentlich sogar eher selten. Manchmal greifen sie ihre Artgenossen aus Gehässigkeit an, um Frust abzubauen, um die eigenen Minderwertigkeitsgefühle zu bekämpfen, um selbst höher zu erscheinen, indem man andere runtermacht, oder weil sie sich bedroht fühlen. Manchmal geschieht es aber auch in bester Absicht, aus Übereifer, oder gut gemeinter, aber destruktiver Hilfestellung.
Verfrühtes Zeigen gefährdet das Vorhaben
Hobby-Autoren kennen dieses Phänomen - und manchmal auch noch die Profis - dass ein Buchprojekt durch verfrühte und wahllose Einholung von Feedback, im Keim erstickt wird. Julia Cameron berichtet in Ihrem Buch "Von der Kunst des Schreibens", von zahlreichen ihrer Schreibschüler, die gut, aber eben noch nicht perfekt geschrieben haben und dann von unqualifizierten Kritikern niedergemacht wurden. Zahllose Talente haben so mit dem Schreiben aufgehört, bevor sie überhaupt dazu kamen, ihre Fähigkeiten zu verbessern.
Das gilt aber auch für alle anderen Bereiche Ihres Lebens. Sie fangen ein neues Projekt an, in einem Bereich, in dem sie vorher noch nicht tätig waren. Sie versuchen sich an einem neuen Hobby, das Ihnen am Herzen liegt. Sie machen sich daran, sich einen lange gehegten Traum, endlich zu erfüllen, oder Sie erkennen, dass Ihr bisheriges Leben gar nicht Ihren eigenen Vorstellungen entspricht und entschließen sich zu einem Neuanfang. Es gibt Myriaden von Situationen in unserem Leben, wo ein Traum oder ein Vorhaben noch ein zartes Pflänzchen ist.
Wir sind noch unsicher, ob wir das Vorhaben tatsächlich schaffen können, ob unsere Kraft, unser Talent, unsere Fähigkeiten dafür überhaupt ausreichen und ob wir uns hier nicht gerade komplett zum Vollhorst machen, vor unseren Freunden und unserer Familie. Kurz gesagt, wir haben Angst - nein, wir haben sogar gleich mehrere Ängste. Wir haben Angst uns zu blamieren, aus unserem Freundeskreis ausgeschlossen zu werden, die Zuneigung und den Respekt unserer Familie zu verlieren - je nach Vorhaben kommt noch Existenzangst dazu und die Angst vor dem Unbekannten. Die berühmten "Was-wäre-wenn-Fragen" beherrschen unsere Überlegungen.
In dieser heiklen Phase unseres Veränderungsprozesses können kleinste Erschütterungen unser ganzes, schönes Traumhaus zum Einsturz bringen. Eine blöde Bemerkung eines Freundes oder einer Freundin. Gut gemeinte Ratschläge, wie der Schuster möge doch bei seinen Leisten bleiben - und überhaupt - wer so hoch hinaus wolle ... na ja, man weiß ja was mit Überfliegern passiert, nicht wahr?
Auch der Freundeskreis kann hier großen Schaden anrichten. "DU? Ehrlich? Du schreibst? (oder singst, oder willst Dich selbständig machen etc.) - echt jetzt? Zeig mal. Oder beschreib mal, was machst Du da so?"
Oft ist es ehrlich gemeinte Anteilnahme, aber nur sehr selten ist das Gegenüber qualifiziert und feinfühlig genug, qualifizierte Beurteilungen abzugeben. Entweder es wird unkritisch alles ganz toll gefunden, weil man Freunde ja nicht verletzen will, oder es werden Maßstäbe angesetzt, die einfach nicht passen. "Also Ken Follet schreibt das immer viel spannender", oder "es gibt ja Menschen, die sind da megaerfolgreich, aber für Leute wie uns ... Ich weiß nicht."
Wenn Sie auf dem Weg zu Ihrem Traum schon erste Erfolge erzielt haben und selbstsicherer geworden sind, können Ihnen solche Bemerkungen höchstens noch ein müdes Lächeln entlocken. Solange Sie noch unsicher sind und selbst noch an sich zweifeln, kann Ihren Vorhaben so eine Bemerkung den Todesstoß versetzen. Das ist, als würde Ihnen jemand den Mutstecker rausziehen und alles zum Erliegen bringen.
Die Gefahr ist vielschichtig
Darüber hinaus lauern aber noch weitere Gefahren. Zum Beispiel die Angstbeißer, die sich von Ihrem potentiellen Erfolg bedroht fühlen. Diese Mangeldenker sind überzeugt, dass es für jeden Gewinner, jemand anderen geben muss, der etwas von seinem Erreichten abgeben muss, und sie haben panische Angst davor, dieser Jemand zu sein. Deshalb bekämpfen Sie jede neue Idee, jede Veränderung, die sich auf ihr eigenes Umfeld potentiell bedrohlich auswirken könnte.
Genauso gefährlich sind auch die überkorrekten Lehrer, die jede Schwachstelle in Ihrem Vorhaben akkurat offenlegen und in bester Absicht darauf hinweisen, woran dieses Vorhaben scheitern könnte. Dabei startet nichts und niemand perfekt. Jedes Projekt, jeder realisierte Traum, jede Reise startet unperfekt. Es geht gar nicht anders. Egal ob Sie anfangen ein Musikinstrument zu spielen, zu singen, zu schreiben, Reden zu halten, einen Film zu drehen oder was auch immer - sie werden immer fehlerhaft und manchmal sogar stümperhaft beginnen. Na und? Jeder heutige Superstar hat genauso begonnen. Man startet, macht Fehler, lernt hoffentlich aus diesen Fehlern, macht es nächstes Mal besser, macht neue Fehler, lernt daraus usw.
Menschen, die einem jeden einzelnen dieser Fehler anrechnen und bei einem Beginner die gleichen Maßstäbe anlegen, wie bei einem Profi, sind völlig unqualifiziert Kritik zu üben. Es sind meistens Menschen, die Noten lesen und alle Funktionen einer Stradivari kennen, aber dem Instrument keinen gefühlvollen Ton entlocken können. Sie achten auf jeden technischen Fehler, auf jedes Verspielen, aber erkennen nicht das Gefühl, das beim Spielen übertragen wird. Im Lauf der Zeit, werden Sie Mitleid für diese Art Menschen empfinden können - am Start sind sie brandgefährlich für Ihre Träume.
Der langen Rede kurzer Sinn. Da draußen lauern zahlreiche Gefahren für Ihre inneren Schätze, für Ihre Träume und Vorhaben. Zeigen Sie sie erst, wenn Sie fähig sind sie zu beschützen. Wenn Sie stark genug sind, sie gegen gut gemeinte oder bösartige Angriffe zu verteidigen. Wenn Sie der Glaube an sich selbst und Ihre Fähigkeiten unverwundbar gemacht hat. Wenn Sie stark genug sind, konstruktive Kritik herauszufiltern und für Verbesserungen anzunehmen, aber Kritik, die Sie nicht weiterbringt, einfach durchzuwinken mit einem freundlichen Dankeschön und einem Lächeln.
Die praktische Umsetzung und die Härte im Umgang mit sich selbst
Zugegeben, das ist in der praktischen Umsetzung nicht ganz einfach. Schließlich sind wir alle keine Inseln, die unabhängig von anderen, einsam und verlassen in den Weiten eines Ozeans leben. Wir sind soziale Wesen und wollen unsere Träume, Wünsche und Vorhaben mit anderen teilen. Wir wollen uns mitteilen und wir brauchen das Feedback von außen. Irgendwann ist der Praxistest dann sowieso fällig, um zu erfahren, ob Ihr Traum sich auch tatsächlich trägt, ob Ihr selbst gebasteltes Flugzeug auch fliegt, ob Ihr Gesangstalent tatsächlich ein Publikum begeistern kann, ob Ihre Schreibe auch Leser findet, oder ob Ihre Geschäftsidee auch profitabel umsetzbar ist usw. Irgendwann muss Ihr Vorhaben den Praxistest bestehen.
Es geht somit nicht darum, zum Eremiten zu werden und sich und seine Idee vor allem und jedem zu verstecken - misstrauisch und ängstlich allem Äußeren gegenüber. Es geht vielmehr darum, systematisch an die Sache heranzugehen. Wer unterstützt Sie, egal was Sie vorhaben? Wer ist sensibel genug, frisch aufgesetzte Steine Ihres Fundaments, nicht gleich wieder einzureißen? Besprechen Sie die ersten Phasen Ihres Vorhabens mit diesen Menschen, wenn Sie das Bedürfnis haben, sich mitzuteilen. Dehnen Sie erst danach den Kreis der Informierten langsam aus, wenn Sie selbstsicher genug dafür sind.
Vor einer Person muss ich Sie allerdings zum Abschluss noch warnen. Einer Person, die zerstörerischer und gefährlicher werden kann, als alle Ihre Kritiker und gut meinenden Freunde. Vor Ihnen selbst. Wir selbst gehen mit uns oft härter ins Gericht, als es ein Außenstehender jemals tun würde. Wir beschimpfen uns, machen uns nieder und stehen uns selbst im Weg, weil wir die Dinge komplizierter machen, als sie sind, oder die Erwartungen an uns selbst ins Unermessliche schrauben. Während wir anderen schon mal Fehler zugestehen und natürlich wissen, dass niemand perfekt ist und das auch von niemand erwarten - gönnen wir uns selbst oft nicht die gleiche Großzügigkeit.
Was für Versager wir doch alle sind, wenn wir eine perfekte Leistung von uns erwarten.
Schützen Sie sich und Ihre Träume also vor allem auch vor sich selbst und den eigenen Ansprüchen. Gut muss am Anfang auch mal gut genug sein. Entwicklung ist wichtiger als schnelle Ergebnisse. Wachsen ist ein Prozess. Oder wurden Sie mit Ihrer jetzigen Körpergröße geboren, konnten perfekt sprechen und laufen und sind direkt mit dem eigenen Auto vom Kreißsaal nach Hause gefahren? Natürlich nicht, was für eine absurde Frage, oder? Gut, dann lassen Sie solche absurden Erwartungen auch bei Ihren sonstigen Vorhaben einfach weg.
Werden Sie sich klar darüber, was Sie wirklich wollen. Gehen Sie es an und schützen Sie das zarte Pflänzchen zunächst, bis Sie stark genug sind, Angriffe zu überstehen. Gehen Sie dann mutig daran, offen für Ihre Träume einzustehen und unperfekt zu starten, allen Widerständen zu trotzen und sich beim Tun weiterzuentwickeln. Das ist eine Strategie, die Sie fast schon zwangsläufig zum Erfolg führen wird.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg auf Ihrem Weg und ein gutes Gespür dafür, wann Ihre zarten Pflänzchen Wind und Wetter ausgesetzt werden können.
Bis bald
Ihr
Gerd Ziegler