Ein schönes und tiefsinniges Zitat von George Bernard Shaw, das meiner Meinung nach gar nicht so einfach zu deuten ist. Nach allgemein gültigen Maßstäben soll der Mensch doch edel, hilfreich und gut sein um als wertvoll zu gelten. Dafür braucht man sich ja nun wirklich nicht zu schämen, oder?

Ich vermute mal, Shaw hat hier dem Umstand Rechnung getragen, dass es diesen edlen, hilfreichen und guten Menschen in Reinkultur gar nicht gibt, noch nie gegeben hat und auch niemals geben wird. Er ist ein Mythos, ein Wunschbild.

Tatsächlich sind wir alle fehlbar. Wir machen Fehler, wir handeln entgegen unseren Werten, wir verraten unsere tiefsten Überzeugungen, wir tun anderen Menschen und anderen Lebewesen grausamste Dinge an, wir verraten unser Selbstbild, unsere Wünsche und unsere Träume – kurz gesagt – wir sind Menschen …

Macht uns das zu grausamen Bestien? Nein, es gibt schließlich auch noch die anderen Seiten, über die wir lieber sprechen und die eher unserem Selbstbild entsprechen. Wir tun Gutes, erschaffen wunderbare Dinge, kümmern uns um andere und wirken uns positiv auf unsere Umgebung aus.

Die Erkenntnis, dass wir eben nicht nur gut sind, sondern fehlbar und die Fähigkeit uns dafür zu schämen – auch wenn das ein altmodischer und nicht mehr alltagstauglicher Begriff zu sein scheint – erhöht unseren Wert in dem Sinne, dass es ein Gradmesser ist, in welche Richtung wir uns entwickeln wollen. Wer sich der eigenen Fehlbarkeit nicht mehr bewusst ist und sich nicht mehr schämt, im Sinne eines schlechten Gewissens, dessen Menschlichkeit steht auf dem Spiel …