Knapp daneben ist auch vorbei
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Die typische Erfolgsstory, die man immer wieder hört, handelt von dem Typen, der gnadenlos alles für eine bestimmte Idee opfert, für die er brennt. Er macht harte Zeiten durch, seine Familie leidet, das Geld geht aus, seine Freunde wenden sich ab, keiner versteht sein Verhalten – dann endlich, als es schon fast keine Hoffnung mehr gibt, trägt sich ein Ereignis zu, oder er hat durch Zufall eine geniale Idee, die alles zum Guten wendet. Alle sind glücklich und das Durchhalten wird belohnt. Ein Happy-End wie aus dem Bilderbuch.
In diesem Blickpunkt wollen wir uns mit dem Thema Erfolg beschäftigen, und darüber, was Menschen alles bereit sind, dafür auf sich zu nehmen. Ebenfalls werden wir einen Blick darauf werfen, wie oft sich solche Erfolgsgeschichten in der Realität tatsächlich abspielen.
Der eingangs geschilderte Geschichtenverlauf endet nämlich nicht selten, an der Stelle, wo alle Bemühungen sich in Hoffnungslosigkeit, Angst und dem finanziellen Bankrott auflösen. Viele davon, ohne dass die Welt auch nur ein Wort davon erfährt, welche Dramen sich vorher abgespielt haben.
Die Geschichte des Charles Goodyear
Beispielhaft für viele solcher Stories möchte ich hier die Geschichte des Erfinders und Amateurforschers Charles Goodyear aufgreifen. Er beschäftigte sich mit der Erforschung eines damals noch neuartigen Materials, namens Kautschuk. Er gilt als Entdecker der Vulkanisation und somit auch als der Erfinder des Hartgummis.
Goodyear war, wie so viele Tüftler und Unternehmer, fest davon überzeugt, dass seine Experimente auch geschäftlichen Erfolg nach sich ziehen würden. Schon bevor er mit seinen Experimenten begann, musste er allerdings fliehen und untertauchen, weil er seine Schulden nicht bezahlen konnte. Diese Mittellosigkeit änderte sich auch in den vielen Jahren des Forschens und Experimentierens nicht. Er saß einige Male im Gefängnis, weil er seinen Verpflichtungen nicht nachkommen konnte.
Als sich erste Fortschritte und Ergebnisse zeigten und er endlich im Jahre 1850 mit der Fabrikation von Hartgummi beginnen konnte, wurde ihm die Urheberschaft seiner Erfindung streitig gemacht. Der Streit wurde zwar nach langen Prozessen zu seinen Gunsten entschieden, hatte ihn aber Zeit und Geld gekostet.
Er konzentrierte sich zunächst auf die Produktion von Haushaltsgegenständen aus Gummi und er stellte das erste Gummi-Kondom her, aber ein wirklicher geschäftlicher Erfolg wollte sich nicht einstellen. Gerüchten zufolge musste seine Familie sogar Hunger leiden und eines seiner Kinder starb, weil kein Geld für eine medizinische Versorgung da war. Selbst das Begräbnis glich, laut der Legende, eher einem Verscharren, als einer menschenwürdigen Zeremonie.
Man könnte nun glauben, irgendwann hätte Charles Goodyear trotzdem noch sein Glück gefunden und wäre für all diese Mühen belohnt worden, aber dem ist nicht so. Er blieb Zeit seines Lebens mittellos und erkrankte, durch die jahrelange Arbeit mit Bleioxyden schwer. Er starb schließlich sechs Monate vor seinem 60. Geburtstag, trotz vieler Patente, in Armut.
38 Jahre nach dem Tod Charles Goodyears gründeten Frank und Charles Seiberling eine Firma mit dem Namen Goodyear Tire & Rubber Company, um Reifen herzustellen. Der Name wurde im Andenken an den Erfinder gewählt, hatte aber mit ihm oder seiner Familie nichts mehr zu tun. Der große wirtschaftliche Erfolg seiner Erfindungen und Patente, kam also weder ihm noch seiner Familie zu Gute.
Wäre eine Erfolgsstory nicht motivierender?
Warum erzähle ich Ihnen diese traurige Geschichte? Eine motivierende Erfolgsstory wäre doch viel hilfreicher und würde Sie besser unterstützen, auf dem Weg zu Ihrem Traumleben, oder?
Ich möchte Sie mit dieser Geschichte keinesfalls entmutigen oder schocken, oder gar von Ihrem Weg abbringen – ich möchte Ihnen damit einfach vor Augen führen, dass wir auch die Kernidee unseres Lebens erfassen müssen, um unser Leben nicht zu verpassen.
In einem übergeordneten Zusammenhang betrachtet, waren die Bemühungen von Charles Goodyear keineswegs vergeblich. Aus seinen Entdeckungen ist eine riesige Industrie erwachsen und die Effektivität der späteren Automobile, Flugzeuge usw. wäre ohne seine Erfindung nicht möglich gewesen. Vielleicht hätte später jemand ebenfalls diese Entdeckungen gemacht, vielleicht aber auch nicht – zumindest nicht mit dem genau gleichen Ergebnis.
Das große Ganze vs. persönlicher Erfolg
Seine Arbeit war also wichtig für das große Ganze. Trotzdem kam er selbst und seine Familie zu kurz in seinem Leben. Manche nennen das ungerecht. Ich nenne es die Realität, wenn man über die Träume und Ziele, das Hier und Jetzt vergisst. Charles Goodyear ist all die Jahre dicht an der Grenze zu Reichtum und einem materiell guten Leben entlang marschiert. Er hat diese Grenze aber nie überquert.
Das haben andere getan, die es verstanden haben, sein Wissen in wirtschaftlich erfolgreiche Bahnen zu lenken. War dem Erfinder das egal? War er an Geld nicht interessiert?
Keineswegs – im Gegenteil. Er hat sein ganzes Leben daran gearbeitet erfolgreich zu werden. was hat also gefehlt?
Letztendlich müssen gute Ideen oder geniale Erfindungen und Entdeckungen, auch in umsetzbare Konzepte fließen. Menschen müssen erkennen, wozu diese Entdeckungen verwendet werden können, was der konkrete Nutzen sein könnte und wie man diesen Nutzen, zum Wohle aller auch vermarkten kann.
Unternehmertum ist nicht gleich Betriebswirtschaft
Viele Menschen denken Unternehmertum wäre mit Betriebswirtschaft gleichzusetzen und wirtschaftlicher Erfolg mit bahnbrechenden neuen Erfindungen. Nichts davon ist wahr. Geniale Ideen und Erfindungen scheitern genauso oft, wie scheinbare Schnapsideen.
Lassen Sie sich ruhig von den Erfolgsstories motivieren, in denen der Pionier alles auf eine Karte gesetzt hat und nach langem Leidensweg schließlich erfolgreich in den Sonnenuntergang reitet. Wir brauchen solche Legenden. Die Richard Bransons, Bill Gates oder Steve Jobs dieser Welt machen uns Mut, genau wie die Unternehmertypen der Neuzeit, die in atemberaubender Geschwindigkeit Weltkonzerne aus dem Nichts erschaffen, wie Google, Facebook oder Amazon.
Behalten Sie aber im Hinterkopf, dass es sich dabei um die Minderheit handelt und die Mehrheit auf der Strecke bleibt. Sorgen Sie dafür, dass Sie schon auf dem Weg zum Erfolg Glück und Erfüllung finden und vergessen Sie nicht, auf was es ankommt, wenn Sie eine Idee umsetzen wollen, oder einen Traum realisieren wollen. Vergessen Sie nicht das Konzept – die Funktionalität.
Sie können mit Begeisterung und Willen einiges erzwingen, ebenso mit Durchhaltevermögen und der Fähigkeit nicht aufzugeben. Aber es geht auch wesentlich entspannter, wenn Sie sich ein bisschen Zeit nehmen, alles gründlich durchzudenken, sich von anderen inspirieren zu lassen, Augen und Ohren offen zu halten und Querverbindungen herzustellen. Hätte Charles Goodyear sich damals ein wenig mehr auf diesen Aspekt der Konzeption konzentriert, hätte er vielleicht selbst auch von seinen Entdeckungen profitieren können.
Hören Sie nicht auf, neben der Arbeit an Ihrem Produkt, oder Ihrer Idee, auch immer wieder nach Wegen zu suchen, wie sie diese mit Ihrer restlichen Vorstellung von einem glücklichen und erfüllten Leben verbinden können. Sie müssen nicht leiden um etwas Großes zu erschaffen. Aber Sie müssen offen sein für neue Wege und alternative Routen, die Sie vielleicht nehmen müssen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und ein gutes Händchen bei der Entwicklung, der für Sie passenden Konzepte.
Bis bald
Ihr
Gerd Ziegler