Ja Sagen, Prinzipien der Überzeugungskraft
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Wissenschaftler untersuchen schon seit mehr als 60 Jahren die Faktoren, die uns positiv beeinflussen und uns somit dazu bringen zu etwas “JA” zu sagen. Oder mit anderen Worten: “Wie lassen sich Menschen von etwas überzeugen?”
Lange Zeit dachte man (und viele tun das heute noch), die Menschen würden alle verfügbaren Informationen, die sie für eine Entscheidung brauchen, sammeln, auswerten und auf der Basis der Ergebnisse ihre Entscheidung treffen. Die Realität sieht allerdings etwas anders aus.
Vor allem in den heutigen Zeiten der Informationsüberflutung braucht der Mensch Abkürzungen, Verknüpfungen und Faustregeln um Entscheidungen in einem annehmbaren Zeitraum überhaupt treffen zu können. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, seien hier sechs dieser Prinzipien genannt, die unsere Entscheidungen beeinflussen:
- 1. Gegenseitigkeit / Ausgleich
- 2. Knappheit
- 3. Autorität
- 4. Beständigkeit / Beharrlichkeit
- 5. Sympathie / Zuneigung
- 6. Konsens / Übereinstimmung / Einigkeit
Wer diese Prinzipien versteht und anwendet, dem fällt es zumindest wesentlich leichter andere Menschen vom eigenen Angebot, vom eigenen Anliegen oder vom eigenen Standpunkt zu überzeugen. “Aber ist das nicht Manipulation pur?“, werden Sie jetzt vielleicht fragen. Die Antwort ist ein klares JA.
Dieses Wissen wird tagtäglich angewendet um uns etwas zu verkaufen, um uns etwas beizubringen, um uns in eine bestimmte Richtung zu bewegen usw. Die Grenzen der Ethik bei der Anwendung dieses Wissens zieht dabei jeder für sich. Während einige Menschen denken, der Zweck heilige die Mittel, Hauptsache das eigene Ziel wird erreicht, zögern andere überhaupt manipulativ tätig zu werden.
Fakt ist – bewusst oder unbewusst wenden wir diese Dinge dauernd an und wir entscheiden auf diese Weise – so oder so. Ob man das für sich nutzen darf oder nicht kann jeder für sich bewerten. Hier geht es nur um die Prinzipien / Mechanismen unserer Entscheidungsfindung.
Und genau die wollen wir uns nun ein bisschen genauer betrachten:
1. Prinzip – Gegenseitigkeit / Ausgleich
Hier geht es um das Gefühl der Verpflichtung etwas zu geben, wenn wir etwas erhalten. Also den Drang eine Schuld, in der wir zu stehen glauben, auszugleichen. Zum Beispiel wenn uns jemand etwas schenkt, oder wenn uns jemand einen Gefallen tut. Wenn uns zum Beispiel jemand zu einer Party einlädt oder zu einem Abendessen, fühlen wir uns normalerweise verpflichtet eine Gegeneinladung auszusprechen. Oder wenn uns ein Kollege einen Gefallen tut, fühlen wir uns verpflichtet uns zu revanchieren.
Wenn wir also etwas von jemandem bekommen steigt also die Wahrscheinlichkeit, dass wir Ja sagen, wenn diese Person uns um etwas bittet – zumindest solange dies nicht zu plump geschieht und die Manipulationsabsicht klar erkennbar ist.
Ein gutes Beispiel dafür sind Studien, die mit Kellnern in Speiselokalen durchgeführt wurden. Bringt der Kellner dem Gast zum Beispiel mit der Rechnung ein kleines Geschenk mit, und sei es nur ein einfaches Bonbon, steigt die Wahrscheinlichkeit eines höheren Trinkgelds an.
Tatsächlich erhöhte sich das durchschnittliche Trinkgeld pro Gast bei einem Bonbon um 3 %. Erstaunlicherweise verdoppelte sich das Trinkgeld nicht, als das Geschenk verdoppelt wurde, also 2 Bonbons geschenkt wurden – es vervierfachte sich – genauer gesagt es stieg um 14 % an.
Aber das vielleicht erstaunlichste Ergebnis brachte folgende Vorgehensweise des Kellners. Er brachte die Rechnung mit einem beigelegten Bonbon, wandte sich zum Gehen, überlegte es sich dann aber scheinbar anders, kam noch mal zurück und sagte: “Also für so nette Gäste, wie Sie, gibt es noch ein extra Bonbon.”
Auf diese Weise erhöhte sich das Trinkgeld um durchschnittlich 23 % – nicht durch das, was gegeben wurde, sondern durch die Art wie es gegeben wurde. Bei einer durchschnittlichen Trinkgeldsumme von 1000 € im Monat sind das 250 € zusätzlich, einfach durch ein bisschen Aufmerksamkeit, Freundlichkeit und ein paar Bonbons. Können Sie sich vorstellen, wie sich das auswirkt wenn Sie in hochpreisigeren Sektoren tätig sind?
Auf den Bereich des Überzeugens bezogen heißt das, man sollte der erste sein, der etwas gibt. Das Gegebene sollte persönlich / personalisiert sein (für das Gegenüber speziell) und es sollte unerwartet sein, oder mehr als erwartet wird.
2. Prinzip – Knappheit / Verknappung
Dieser Faktor beruht auf der Tatsache, dass Menschen mehr von dem wollen, was weniger zu haben ist. Als British Airways 2003 mitteilte, dass die täglich zwei Concorde-Flüge von London nach New York wegen Unwirtschaftlichkeit eingestellt würden, gingen die Buchungen dieser Flüge schon am nächsten Tag steil nach oben.
Nichts hatte sich gegenüber dem Vortag verändert. Der Flug war derselbe. Das Flugzeug war dasselbe. Die Gründe für die Reise nach New York blieben die gleichen und der Service an Bord wurde auch nicht über Nacht verbessert. Das einzige was sich verändert hatte war, dass diese Flüge über Nacht zu einem begrenzten, knappen Angebot wurden. Und das war der Grund, warum das Bedürfnis stieg, einen dieser letzten Flüge zu ergattern.
Das gleiche Prinzip funktioniert auch bei limitierten Auflagen, zeitlich begrenzten Aktionen und vielen ähnlichen Vorgehensweisen. Was schwerer zu bekommen ist, wird stärker gewollt.
Es reicht also nicht aus, die Vorteile einer Sache oder eines Angebots darzulegen. Es muss auch vermittelt werden, was einzigartig daran ist und was man verpasst, wenn man das Angebot nicht annimmt. Nicht jeder kann das Angebot zu jeder Zeit haben. Vielleicht ist das die letzte Gelegenheit überhaupt …
3. Prinzip – Autorität
Auch dieser Automatismus hängt mit der Informationsüberflutung zusammen. Egal zu welchem Thema Sie recherchieren – es gibt zig Empfehlungen und genauso viele, die genau das Gegenteil empfehlen. Die Menschen neigen also dazu, sich glaubwürdige, kenntnisreiche Experten zu suchen, deren Ratschlag sie folgen können.
So waren die Probanden einer Studie eher gewillt einem Ratschlag zu medizinischen Fitness- und Gymnastikübungen zu folgen, wenn der Arzt oder Therapeut entsprechende Diplom-Urkunden gut sichtbar an der Wand hängen hatte. Ebenso waren Menschen bei einem anderen Test eher bereit einem komplett Fremden Kleingeld für die Parkuhr zu schenken, wenn dieser Fremde eine Uniform oder uniformähnliche Kleidung anhatte.
Wer andere überzeugen will, sollte also mit seinem ganzen Erscheinungsbild und allen sichtbaren Zeichen vermitteln, dass er ein glaubwürdiger Experte auf dem besprochenen Gebiet ist. Natürlich ist das nicht so einfach – Sie können ja schlecht herumlaufen und jedem erzählen wie toll Sie sind, und was Sie alles können, oder?
Üblicherweise sorgt man deshalb dafür, dass dies jemand anders für einen tut. Referenzschreiben zufriedener Kunden, Auszeichnungen, Diplome, Urkunden oder auch einfach Kollegen, die einen empfehlen. Eine Studie eines Immobilienunternehmens ergab einen Anstieg der Abschlussquote, wenn der Erstkontakt bei einer Anfrage eines Kunden, die Daten sammelte und dann sagte: “Moment, da gebe ich Sie am besten mal an Herrn/Frau XY weiter, der/die hat genau mit solchen Objekten jede Menge Erfahrung und kennt dort alle Punkte die Sie beachten müssen …”
Immerhin stieg die Anzahl der Termine durch diese Positionierung des Gesprächspartners als glaubwürdiger Experte durch einen Dritten, um 20 % und die Abschlussquote um 15 % – nicht schlecht für eine einfache Änderung im Ablauf eines Geschäftsprozesses, oder?
4. Prinzip – Konstanz / Beständigkeit
Menschen neigen dazu, bei etwas bleiben zu wollen, das sie einmal gesagt oder angefangen haben. Dies kann man sich zunutze machen, indem man die Menschen zu kleinen Zusagen, kleinen Schritten Richtung Verpflichtung bewegt, die für den anderen zunächst kein Problem darstellen und auf die er oder sie leicht eingehen können.
In der zugehörigen Studie wurden die Anwohner einer Nebenstraße gefragt, ob sie dem Aufstellen eines Schildes in ihrem Rasen vor dem Haus zustimmen würden, auf dem zu langsamer Fahrt aufgerufen wird. Nur sehr wenige waren dazu bereit. In einer ähnlichen Wohngegend waren es viermal mehr, die zustimmten. Hier wurde eine Woche vorher gefragt, ob die Anwohner kleine Schilder an ihr Frontfenster aufstellen würden, auf denen das langsame Fahren angemahnt wurde.
Dieses kleine Engagement im Vorfeld führte zu einem vierfach höheren Erfolg, als eine Woche später, die größere Leistung (das Schild im Garten) angefragt wurde. Wer diesen Effekt für sich nutzen will versucht also, kleine unterstützende, aktive und vor allem öffentliche Aussagen oder Taten von den Menschen zu erhalten – idealerweise in schriftlicher Form. Zum Beispiel wurde ein Rückgang bei nicht wahrgenommenen Terminen in Arztpraxen festgestellt, wenn der Patient selbst den Terminzettel ausgefüllt hat.
5. Prinzip – Sympathie / Zuneigung
Menschen sagen eher JA zu Menschen, die sie mögen. Aber was entscheidet darüber, dass wir andere mögen, oder sie uns? Man spricht von drei wesentlichen Faktoren, die darüber bestimmen ob wir jemanden mögen:
- Wir mögen Menschen, die ähnlich sind wie wir
- Wir mögen Menschen, die uns schmeicheln, uns Komplimente machen und
- Wir mögen Menschen, die mit uns kooperieren, die mit uns an gemeinsamen Zielen arbeiten
Der interessanten Frage, ob dies auch in Zeiten zum Tragen kommt, in denen Online-Verhandlungen und Online-Kommunikation das direkte menschliche Miteinander zunehmend ablöst, auch noch gilt, sind Studenten zweier englischer Universitäten nachgegangen.
Es wurden jeweils zwei Gruppen gebildet, die miteinander online verhandeln sollten.
Gruppe 1 erhielt die Instruktion:
Zeit ist Geld. Kommt so schnell wie möglich auf den Punkt. In dieser Gruppen gelang es 55 % der Verhandlungspartner sich einig zu werden.
Gruppe 2 wurde angewiesen vor der eigentlichen Verhandlungen persönliche Informationen auszutauschen, über Hobbies zu sprechen und was der Verhandlungspartner gerne isst usw. mit dem Ziel Gemeinsamkeiten herauszufinden. Erst wenn diese gefunden waren, sollte verhandelt werden.
In dieser Gruppe gelang es 90 % der Verhandlungspartner sich zu einigen, und zwar auf ein für beide Seiten zufriedenstellendes Ergebnis.
Wer also überzeugen will, bzw. andere dazu bringen will, das Gewünschte auszuführen, sollte zunächst Gemeinsamkeiten ausfindig machen und Dinge finden, für die er ein ehrlich gemeintes Kompliment aussprechen kann (Keine Schleimerei). Und das alles BEVOR über Geschäftliches geredet oder über etwas verhandelt wird.
6. Prinzip – Konsens / Übereinstimmung / Einigkeit
Menschen schauen auf das Verhalten anderer, um ihr eigenes zumindest teilweise davon abzuleiten.
Sicher sind Ihnen in Hotels schon mal die kleinen Hinweisschilder aufgefallen, auf denen darauf hingewiesen wird, dass man der Umwelt zuliebe, die Handtücher mehr als einmal benutzen soll. Durchschnittlich 35 % der Hotelgäste kommt dieser Aufforderung bei einem mehrtägigen Aufenthalt nach. Bei einem Aufenthalt von mehr als 4 Tagen sind es sogar 75 %, die während des Aufenthalts ihre Handtücher mehr als einmal benutzen.
In einer Studie dazu wurde diese zweite Information der Aufforderung hinzugefügt. Folgender Wortlaut stand auf den Hinweisschildern:
“75 % unserer Gäste benutzen ihre Handtücher mehrmals während ihres Aufenthalts. Es wäre schön, wenn Sie diesem Beispiel folgen würden.” Auf diese Weise erhöhte sich die Anzahl der Mehrfach-Benutzer um 26 %.
Im zweiten Schritt wurde das Hinweisschild wie folgt beschriftet:
“75 % der Gäste in DIESEM Raum, haben ihre Handtücher mehrfach benutzt.” Vielleicht hat der ein oder andere Betrachter gedacht – hoffentlich sind das nicht die gleichen Handtücher, die jetzt hier hängen ;-) Und die meisten würden denken, dass diese Wortwahl keinen wesentlich größeren Einfluss auf ihre Handlungen ausübt, als die anderen beiden. Aber tatsächlich führte es zu einer Erhöhung der Anzahl der Mehrfach-Benutzer um 33 %.
Wer andere von etwas überzeugen will kann sich dieses Prinzip also zunutze machen indem er darauf hinweist, dass andere, die dem Gesprächspartner ähnlich sind (am besten viele andere) bereits das tun oder anwenden, was der Gesprächspartner in Zukunft auch tun oder anwenden soll.
So, das waren sie, die sechs Prinzipien der Einflussnahme mit denen man kleine, aber sehr effektive Veränderungen herbeiführen und öfter das bekommt, was man haben will. Diese Prinzipien sind einfach Fakten menschlichen Verhaltens, die beim Einzelnen mal stärker mal schwächer ausgeprägt sind. Man kann dieses Wissen dazu nutzen Menschen für sich zu gewinnen, die ohnehin eine kleine Entscheidungshilfe brauchen, oder man kann es benutzen ob gnadenlos jeden für seine Zwecke zu manipulieren. Das ändert nichts an den Fakten selbst.
Wer ein Geschäft betreibt und von den Aufträgen seiner Kunden lebt, sollte diese Prinzipien kennen. Wie weit er oder sie dieses Wissen einsetzt, muss jeder selbst entscheiden. Fakt ist, dass es tagtäglich angewendet wird. Achten Sie mal die nächsten Tage darauf, wo Ihnen diese Prinzipien überall begegnen und schreiben Sie uns Ihre Erfahrungen.
Was halten Sie davon?
Funktioniert unsere Gesellschaft ohne “Überzeugungskraft” überhaupt?
Kommen wir ohne sie überhaupt an unser Ziel?
Schreiben Sie uns Ihre Meinung.
Bis bald
Ihr
Gerd Ziegler