Die Sache mit dem Aber
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Das war super, aber … Vielleicht haben Sie diese rhetorische Wende auch schon mal angewandt. Oft benutzen wir sie, ohne groß nachzudenken. Das hast Du gut gemacht, aber warum nicht auch noch dieses oder jenes? Das war toll, aber warum erst jetzt?
Das was klasse, aber was hättest Du alles erreichen können, wenn Du es gleich richtig gemacht hättest usw.
Herzlich willkommen liebe Leser bei diesem Blickunkt, bei dem wir uns ein wenig über unsere Eigenarten unterhalten wollen, wenn es darum geht, Leistungen anzuerkennen und Menschen zu loben – nicht zuletzt uns selbst. Am Ende des Beitrags habe ich diesbezüglich noch ein kleines Geschenk für Sie, das Ihnen bei dem richtigen Umgang mit diesem Thema helfen kann.
Die genannten Beispiele für solche eingeschränkten Lobeshymnen, kommen den meisten Menschen relativ leicht über die Lippen – im Gegensatz zu einem uneingeschränkten Lob. Irgendwie scheinen die Leute zu denken, man müsse den Gelobten davor bewahren größenwahnsinnig zu werden, abzuheben oder ähnliches.
Aber im Grunde richtet man damit, nicht nur aber vor allem, bei Kindern oft irreparable Schäden an. Denn auch wenn es wahrscheinlich motivierend und als Ansporn gedacht ist, transportiert so ein eingeschränktes Lob vor allem eine Botschaft: “Du bist nicht so, wie Du sein solltest!”
Das gilt auch, wenn wir auf diese Weise mit uns selbst reden. “Damit war ich zufrieden, aber … – Das hab ich gut gemacht, aber es gibt Bessere usw.”
Was steckt hinter diesem seltsamen Verhalten?
Die Angst das eigene, oder das Licht der Anderen zu stark leuchten zu lassen? Zu groß zu werden? Die Erwartungen zu hoch zu schrauben?
Ich meine klar – im Sinne eines bodenständigen, nachhaltigen Wachstums ist es auf jeden Fall wichtig, auch die Dinge zu beachten, die noch verbesserungsfähig sind. Nobody is perfect, und Verbesserungspotential gibt es immer. Es wäre grob fahrlässig, solche Sachen einfach auszublenden und die Bruchlandung wäre sehr unsanft, wenn man in Wolkenkuckucksheim leben würde. Damit hätte man nichts gewonnen.
Aber alles zu seiner Zeit. Wenn es gilt jemanden, oder sich selbst, für einen Erfolg zu würdigen, oder eine Handlung anzuerkennen und wertzuschätzen – dann ist daneben kein Platz für nachgeschobene Kritik oder Hinweise was man noch besser hätte machen können, und sei die Einschränkung noch so berechtigt. Diese Einschränkung ist sonst nämlich alles, was beim Anderen – und auch bei uns selbst – ankommt und hängen bleibt. Du warst toll, aber …
Bei manchen Zeitgenossen ist das noch einfacher. Die fangen gleich mit dem “Aber” an und halten sich gar nicht erst lange mit der Anerkennung auf. Zu denen sagt man: “Ich habe dies oder jenes erreicht, und alle fanden es gut.” Und sie erwidern: “Aha – und bringt das auch genug Geld? Nutzen die dich nicht nur aus? Das wird ja doch wieder nichts. Wo ist der Haken?”
Das ist wie ein Eimer Eiswasser mitten ins Gesicht, während man sich auf eine warme Umarmung gefreut hat. Es greift das eigene Selbstvertrauen, das eigene Selbstwertgefühl nachhaltig an. Richtig schlimm ist es, wenn das Menschen tun, die uns nahe stehen und die uns wichtig sind. Wenn Eltern so mit ihren Kindern sprechen, Ehepartner oder Freunde uns so einschränken, dann braucht es eine Extraportion mentale Kraft um das auszugleichen.
Aber auch wenn wir selbst so mit uns reden – und wir reden ständig mit uns selbst, und wenn es nur in Gedanken ist – dann schadet uns das genauso nachhaltig. Kinder entwickeln hier ihre Glaubenssätze, und sie hören eben nicht, was ihre Eltern oder ihr Umfeld eigentlich meinen. Sie hören das, was diese Leute sagen. “Du hast da ja ausnahmsweise was hingekriegt, aber es ist so noch nicht in Ordnung – Du bist so wie Du bist, noch nicht in Ordnung.” Das kann zu einem Selbstbild führen, das dem Erwachsenen später im Weg steht, weil er oder sie glaubt, nicht gut genug für irgendetwas zu sein.
Achtung – ich spreche nicht davon, alles mit der rosaroten Brille zu betrachten und alles toll zu finden, was andere machen, oder was die eigenen Kinder so fabrizieren. Ganz im Gegenteil. Nach Verbesserungen zu streben und sich weiter zu entwickeln, erfordert auch einen ehrlichen Umgang mit den eigenen Schwächen und denen der Kinder und anderen – keine Frage.
Es geht nur darum, diese Prozesse nicht zu vermischen. Was spricht dagegen, sich zu regelmäßigen Terminen, oder eben bei Bedarf, hinzusetzen und mit den Kindern gemeinsam zu erarbeiten, wie sie sich noch besser entwickeln können und wie sie das erreichen können, was für alle Beteiligten erstrebenswert ist? Dasselbe kann man bei einem Termin mit sich selbst tun.
Danach gilt es wohlwollend zu erkennen, was gut gelungen ist und ein ehrliches, uneingeschränktes Lob dafür, als Feedback zu geben. Und wenn es Korrekturen bedarf, kann man die natürlich genauso ansprechen. Achten Sie einfach auf die zeitliche Trennung.
Wir alle brauchen Feedback. Von außen und von innen. Es hilft uns dabei, uns zu orientieren- oder jedenfalls den meisten von uns. Nur wenige sind da mittlerweile unabhängig von äußeren Reflektoren. Wir suchen Anerkennung, Liebe und Zugehörigkeit und wir fürchten uns davor ausgeschlossen zu sein. Deshalb ist uns die Meinung unseres Umfelds, oder zumindest der Menschen, die uns etwas bedeuten, so wichtig. Und deshalb legen wir da manchmal, bewusst oder unbewusst jedes Wort auf die Goldwaage. Wir nehmen die subtilen Botschaften zwischen den Zeilen viel stärker wahr, als es derjenige, der die Botschaft ausgesprochen hat, vielleicht meinte.
Widerstehen Sie also dem Drang, alles abzuschwächen und einzuschränken.
Loben Sie von ganzem Herzen, ohne Einschränkung, wenn Sie eine Leistung oder eine Tat ehrlich anerkennen können. Auch und gerade, wenn es sich um Ihre eigenen Leistungen und Taten handelt. Sparen Sie sich die Hinweise, was man noch besser machen könnte, oder was man vielleicht noch früher hätte tun können auf, oder vergessen Sie es ganz. Je nachdem ob es wichtig für die weitere Entwicklung oder die Zielerreichung ist, dass es noch angesprochen wird. Wenn nicht, warum sich damit aufhalten?
Wenn Sie es für wichtig erachten, dass auch Kritik geübt wird, dann zeitlich getrennt und in positiver Form. Zum Beispiel könnten Sie zu Ihrem Kind, oder zu Freunden sagen: “Das hast Du toll gemacht. Ich fand das klasse, wie Du das gelöst hast, indem Du … Ich bin richtig stolz auf Dich.” Wenn es jetzt noch Verbesserungspunkte gibt, kann man bei Gelegenheit immer noch sagen: “Nachdem Du das alles so super hinkriegst. Lass uns doch mal gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, was Du damit alles erreichen kannst und was Du dafür tun kannst.” Merken Sie den Unterschied? Und den Zweck erfüllt diese Vorgehensweise genauso. Das Selbstbewusstsein des Gelobten ist durch die anerkennenden Worte gestärkt, und das Verbesserungspotential bleibt ebenfalls im Blick, und zwar auf eine motivierende, anspornende Weise.
Wenn es ums eigene Kopfkino, um die Selbstgespräche geht, gilt dasselbe. Feiern Sie Ihre Erfolge. Wertschätzen Sie, was Ihnen alles gelungen ist. Wenn Sie möchten, führen Sie ein Erfolgstagebuch und schreiben Sie jeden Tag mindestens fünf Dinge auf, die Ihnen gut gelungen sind – ohne Abschwächung und Einschränkung. Beobachten Sie, wie diese Art der Gedankenhygiene Ihr Selbstbewusstsein steigen lässt.
Legen Sie die Angst davor ab, ihre Erwartungen zu hoch zu schrauben, oder enttäuscht zu werden, oder dass den anderen Ihr Lob zu Kopf steigt. Das wird nicht passieren, wenn das Lob berechtigt war und auch für den Gelobten nachvollziehbar ist. Also kein Lob, des Lobes willen, oder aus taktischen Gründen, sondern als aufrichtige Wertschätzung.
Zugegeben – das gelingt auch mir nicht immer und es wird vermutlich auch Ihnen nicht immer zu hundert Prozent gelingen. Aber wenn Sie sich einmal dafür sensibilisiert haben, wird es Ihnen immer öfter auffallen, wenn Sie in diese einschränkenden Gesprächsmuster verfallen und Sie werden dann immer öfter, bessere Formulierungen wählen. Es ist ein Prozess, der angestoßen werden will.
Gehen Sie’s also an. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei und viel Freude bei der Beobachtung, was sich dadurch alles verändern wird.
Als kleine Hilfe können Sie diesen Beitrag, ein paar Formulierungshilfen und Gedankenstützen als PDF anfordern (siehe weiter unten).
Wir hören uns wieder bei der nächsten Ausgabe Ihres Traumleben-Podcast.
Bis bald
Ihr
Gerd Ziegler
Die angekündigte Formulierungshilfe habe ich Ihnen zusammen mit den Gedankenstützen als PDF zum Download zusammengestellt.
Danke für den guten Beitrag. Die Sache mit dem “Aber” kann man in der Tat so sehen, aber 🙂 auch anders:
Eine Disziplin, die im angelsächsischen Bildungssystem eher zuhause ist als in Koninentaleuropa, ist “kritisches Denken”. (“Yorn teacher might be wrong. Learn to think for yourself.”) Und das, obwohl sie wohl auf den griechischen Philosophen Sokrates zurückgeht (Mäeutik). Es geht darum, nicht alles, was man hört, für bare Münze zu nehmen und Argumente blind zu übernehmen.
Es geht darum, dass man Annahmen und Schlussfolgerungen kritisch hinterfragt. Dafür ist das Wort “aber” bestens geeignet. Aus dieser Perspektive betrachtet, solte es somit nicht darum gehen, das Wort zu vermeiden, sondern eher darum, aufzupassen, dass die innere Haltung stimmt, wenn man es verwendet: kein Selbstzweifel, sondern kritisches Denken!