Schönheit braucht Wahrnehmung
[easy-social-share buttons="facebook,twitter,google,pinterest,linkedin,stumbleupon,reddit,xing,whatsapp" counters=1 counter_pos="inside" hide_names="force" fullwidth="yes"]
Manche Menschen könnte man mitten im Paradies abstellen und sie würden selbst dort Gründe dafür finden, warum sich alles gegen sie verschworen hat und das ganze Leben einfach nur häßlich ist. Schönheit ist nun mal kein feststehender Wert und sie ist abhängig von der Wahrnehmung jedes einzelnen.
In diesem Blickpunkt werden wir uns über die Schönheit unterhalten, die uns tagtäglich umgibt und warum wir dieser Schönheit auch Beachtung schenken müssen, damit sie überhaupt zur Geltung kommen kann.
Vollkommenheit und Schönheit in der U-Bahn
Die Washington Post organisierte folgendes Experiment an einer U-Bahnhaltestelle von Washington D.C. Ein Violinist wurde dort, an einem kalten Januarmorgen, im Jahre 2007, postiert. Er spielte dort für ca. 45 Minuten sechs Stücke von Johann Sebastian Bach.
Ca. 2000 Menschen benutzten diese Haltestelle, während dieser Zeit. Erst nach ca. 3 Minuten nahm der erste Passant Notiz von dem Musiker, lief aber weiter. 4 Minuten später bekommt der Musiker den ersten Dollar von einer Passantin, sie bleibt aber nicht stehen um der Musik zu lauschen.
Insgesamt bleiben nur wenige Kinder stehen, werden aber von den Eltern weiter gezogen. Auch vereinzelte Passanten, die kurz verharren, schauen auf die Uhr und ziehen dann weiter.
Der Musiker spielte die 45 Minuten ohne Pause durch. Insgesamt 6 Personen blieben für kurze Zeit stehen, niemand hörte ihm ein ganzes Musikstück lang zu. Ca. 20 Leute gaben ihm Geld, aber gingen dann weiter. Die Gesamteinnahmen beliefen sich auf 32 Dollar. Nach seinem Konzert packt der Musiker zusammen, niemand nimmt davon Notiz. Es wurde einfach still. Niemand applaudierte. Es gab keine Anerkennung.
Das Besondere an diesem Experiment war aber, dass es sich bei dem Violinisten um Joshua Bell handelte - einem der größten Musiker der Welt. Und er spielte eines der komplexesten und schwierigsten Musikstücke, die je geschrieben wurden, auf einer Violine im Wert von 3,5 Millionen Dollar.
Schönheit wird ohne Etikett oft übersehen
Zwei Tage zuvor hatte Joshua Bell vor ausverkauftem Haus in Boston die gleichen Stücke gespielt. Durchschnittspreis pro Platz waren dort 100 Dollar. Er stellte sich für dieses Experiment zur Verfügung und war selbst erstaunt, wie wenig Resonanz er bei den Passanten, trotz seines virtuosen Spiels, erzeugen konnte. Die Leute schienen große Probleme damit zu haben, Schönheit zu erkennen, wenn diese nicht explizit so etikettiert war. Also wenn die Menschen eben nicht wissen, wen sie vor sich haben und was ihnen dargeboten wird.
Natürlich hat der ein oder andere auch einfach keinen Sinn für Musik, und schon gar nicht für klassische Musik. Aber der Verdacht liegt nahe, dass es zumindest ein größerer Teil der Passanten bemerkt hätte, welche Qualität da abgeliefert wurde, hätten sie ihrer Umgebung wenigstens ein bisschen bewusste Wahrnehmung geschenkt.
Aber tatsächlich laufen wir ja alle ziemlich unbewusst durchs Leben. Ich hab neulich zum Beispiel eine wunderschöne Villa bei uns in der Stadt entdeckt, als ich dort vorbei lief. Die Türen und Garagentore waren sehr aufwendig und mit Liebe zum Detail verziert, die Fenster mit innenliegenden Sprossen veredelt und die Gesamtkomposition passte einfach ideal. Soweit so gut - aber wissen Sie wie oft ich hier schon vorbeigefahren bin, ohne dieses Haus auch nur zu bemerken?
Wenn wir uns am Wochenende zu einer Wandertour mit Freunden aufmachen, sind die Teilnehmer oft erstaunt, welche wunderschönen Landschaften da, oft direkt vor der Haustüre liegen, die man vom Auto aus einfach bisher übersehen hatte. Vom Blick für die kleinen Schönheiten unseres Alltags mal ganz abgesehen.
Erkennen Sie die Schönheit, die Sie umgibt?
Wann haben Sie das letzte Mal bewusst inne gehalten und sich umgesehen? Eine Blume in jedem Detail betrachtet und die Perfektion ihrer geometrischen Formen bewundert? Oder die Schönheit und Natürlichkeit eines Tieres beobachtet? Das wunderbare Design von Möbeln, Gebäuden, Autos oder was immer ihren Sinn für Schönheit weckt. Das Schöne will auch wahrgenommen werden, sonst kommt es nicht zur Geltung.
Wir erkennen sie sonst genauso wenig, wie ein Talent, wenn es uns begegnet - zum Beispiel in einem unpassenden Umfeld, wie bei dem Violinisten in der U-Bahn. Und was wir nicht wahrnehmen und erkennen, können wir auch nicht wertschätzen.
Wir sind oft viel zu beschäftigt mit irgendwelchen Alltagssorgen, dem Stress unseres Berufs, mit den Anforderungen, die unsere Aufgaben an uns stellen, oder mit der Bewältigung von Erlebnissen, die schon lange zurück liegen. Dabei umgeben uns nicht nur diese belastenden Dinge, sondern auch jede Menge Schönheit, die unsere Bewunderung verdient. Wir müssen nur auch wahrnehmen, was unsere Augen sehen, unsere Ohren hören, unsere Nase riecht oder unsere Haut fühlt. Wir müssen es auch zulassen, und somit die Existenz des Schönen bestätigen.
Wer das nicht tut, nimmt die Welt und sein Umfeld schlechter wahr, als es tatsächlich ist. Unsere Aufmerksamkeit steuert diese Wahrnehmung und hier liegt somit der Schlüssel zu Ihrem persönlichen Glücksempfinden.
Ich weiß, dass das nicht leicht fällt, wenn einen gerade Sorgen plagen, oder man von einem Termin zum nächsten hetzt. Aber genau dann, braucht man es am nötigsten. Die Seele muss auch mal zur Ruhe kommen, sonst leidet sie unter unserer Geschwindigkeit und Ignoranz.
Eine kleine Übung für Sie!
Ich habe eine Übung für Sie. Suchen Sie heute bewusst nach Schönheit in Ihrem Leben. Was können Sie bewundern? Was umgibt Sie, das Sie schön finden, an dem Sie sich erfreuen können? Das müssen keine Paläste sein. Es kann direkt vor Ihrer Nase stehen, oder es kann eben ein Violinist in der U-Bahn sein, der ein Stück von Johann-Sebastian Bach spielt.
Seien Sie heute aufmerksam und offen für die schönen Dinge und morgen machen Sie das einfach noch mal genauso, und übermorgen wieder usw. Behalten Sie es einfach als schöne Gewohnheit bei, und Ihnen wird immer mehr auffallen, wie viel Schönheit Sie umgibt, die Sie bisher überhört oder übersehen haben.
Viel Erfolg dabei und jede Menge neue, schöne Wahrnehmungen wünsche ich Ihnen.
Bis bald
Ihr
Gerd Ziegler